Dienstag, 20. November 2012

Senioren mit ADS

Jeder redet nur von den Kindern....

Ich rede aber mal von den Senioren. Erstens bin ich selber schon bald in dem Alter und zweitens hat mein Vater ADS und sein Vater hatte es auch.

Mein Grossvater war ein cholerischer Mann, drohte schnell mit: "wotsch eis uf dä Ranzä?" (Willst du Schläge?) und war mager und immer aktiv. Wir hatten eigentlich Angst vor ihm und nannten ihn nur den Ranzäätti.

Er war aber auch kreativ und machte schöne Salontische aus Einlegearbeiten von Fliesenstücken in Beton. Sogar Wandbilder, die tadellos waren. Und ich bin da heikel.

Seine Frauen waren:
Die erste habe ich nicht mehr gekannt, sie starb als mein Vater in der Rekrutenschule war. Die 14-jährige Schwester wurde daraufhin verknurrt dazu den Männern den Haushalt zu machen. Sie sei eine liebe Frau gewesen, meint meine Tante.
Die zweite war nur ein Jahr mit ihm verheiratet, sie hat ihn finanziell ausgenommen.
Die dritte war wieder eine ganz liebe Frau. Sie war mir eine geliebte Grossmutter. Vermutlich hat sie ihn strukturiert und im Zaum gehalten, soweit es ihr möglich war.

Mein Vater ist eher der ruhige, strukturierte Mensch, wie ich auch. Er hat sich im Leben enorm zusammengerissen und man würde jetzt sagen, er hat sein ADS "ausgewachsen".
Das Zusammenreissen hat aber auch seine Nachteile gehabt, nämlich die Komorbitäten.
Bei ihm wars so, dass er zwar keine psychosomatischen Krankheiten bekam, aber er neigte zum Trinken. Zum Glück hat er nach dem Tod meiner Mutter schnell wieder eine Frau gefunden, die ihn strukturiert hat und ihm das Trinken wieder abgewöhnt hat.

Er hat sich selber so stark strukturiert, dass er Schmerzen nicht wahrgenommen hat. So fuhr er mit einem gebrochenen Hüftgelenk noch 25 km Fahrrad (Rennrad, mit eingespanntem Schuh). Oder er ging nach einem Sturz nach dem Skifahren zum Arzt, der meinte, das könne nichts sein, so wie er noch aufrecht gehe. Später sah man dann den gebrochenen Rückenwirbel. Mein Vater fuhr Ski "wie eine Sau". Er hat sich da auch als junger Mann schon einmal die Hüfte gebrochen. Ich denke, er war oft auf der Suche nach dem "Kick" oder kannte wie ich auch keine Angst.
Dann ist er auch enorm kreativ. Werkelt immer in der Werkstatt, die er sehr strukturiert aufräumt.
Aber auch beim arbeiten achtet er nicht auf seine Schmerzen oder Grenzen. Er hat sich mal einen Finger an einer Bohrmaschine ausgerissen und seine Hände sind ein einziges Schlachtfeld. (Ich gucke beim Durchlesen auf meine eigenen Finger und seufze).

Ein charismatischer Mann, der auf Kinder immer sehr anziehend gewirkt hat, aber wir, die eigenen Kinder sahen wenig von ihm. Ich habe einmal von ihm einen Brief bekommen, als ich auf Weltreise war, und das war wohl der erste tiefere Blick in seine Seele.

Dann andere Senioren mit ADS.
Seit ich meinen Blick etwas geschäft habe zum Thema merke ich öfters, dass jemand ADS hat. Oft zeichnen sich diese Menschen durch lautes Schwallreden aus. Sie sind immer hilfsbereit, aber wegen dem Schwallreden hat man sie doch lieber etwas auf Distanz.
Diese Menschen sind, falls Männer, oft mit sehr lieben Frauen gesegnet, die sie strukturieren. Ich habe wenig Komorbitäten beobachtet.
Die Frauen dagegen sind oft psychisch labil, haben meist den Partner verloren und neigen stark zu Komorbitäten. Falls sie hyperaktiv waren sind sie meist sehr mager gewesen in der Jugendzeit, was sich im Alter mit Knochenproblemen wie Osteoporose zeigt. Diese Frauen leben oft extrem strukturiert mit peinlichst aufgeräumten Wohnungen.
Auch Muskelrheuma konnte ich öfters beobachten.
Falls sie Uebergewicht hatten war es meist schweres Uebergewicht. Da merkte man auch, dass diese Frauen auch sonst einen opulenten Lebensstil zeigten. Sie haben nicht einen Gegenstand, nein sie haben jegliche Gegenstände, die sie ergattern können. Also nicht eine Vase für Rosen sondern mind. 20 in allen Formen und Grössen.
Was natürlich schnell zu einem chaotischen Lebensstil führt.

Beide Sorten lassen einem aber nie zu Wort kommen, sie sind jeglichen Verbesserungsvorschlägen gegenüber verschlossen. Schliesslich haben sie schon ein ganzes Leben lang mit sich und ihren Problemen gekämpft und haben absolut keine Neigung dazu im Alter sich das Leben mit einem so schnöden Ding wie einer Tablette leichter zu machen.

Aber gerade ein Ritalin würde gut tun. Endlich entspannen! Endlich loslassen können! Endlich freie Kapazität haben!
Gerade diese Menschen sind äusserst skeptisch Medikamenten gegenüber. Und dabei würde ihnen das mph ja nicht mehr schaden. Wachstumsprobleme wären sicherlich nicht zu befürchten *lach.

Zusätzlich habe ich auch eine spezielle Affinität zu bestimmten Aerzten beobachtet. ADS-Senioren haben immer einen Lieblingsarzt. Sie trauen nicht jedem. Das ist auch bei jüngeren ADS-lern typisch, sie brauchen den speziellen Bezug zu einem "Helfer", ob Arzt oder Therapeut. Und damit meine ich nicht das übliche: Ich kann dir diesen Arzt empfehlen, sondern sie schwärmen immer gleich in höchsten Tönen und lautstark!

Ob mph helfen würde bei Senioren? Ja, ich denke, es ist nie zu spät. Besonders gegenüber der Familie wäre es hilfreich und warum nicht auch sich selbst gegenüber? Man hat schliesslich lange genug sich abgestrampelt und darf, auch nach Beenden des Beruflebens, mal nicht nur mit einem Gläschen Wein oder einer Praline entspannen, sondern auch mit einem Medikament! (Ich habe keine Aktien bei den Pharmafirmen ;-)).

1 Kommentar:

  1. Wow, das ist gut beobachtet!
    :-)
    Da hatte ich noch Hoffnung, dass dann mal die Wechseljahre allenfalls mein ADS verschwinden lassen werden...;-)

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